In diesen Tagen trifft sich die psychiatrische und psychotherapeutische Fach-Community zum DGPPN-Kongress in Berlin. Er ist einer der bedeutendsten Fachkongresse für Psychiatrie in Deutschland und deshalb ist es umso wichtiger, dass die neuromodulativen Verfahren dort seit vielen Jahren intensiv thematisiert werden. Als Anregung möchten wir die wichtigsten Themen hier für Sie zusammenfassen:
Neurofeedback (NF)
NF bleibt auch in diesem Jahr ein fest etablierter Schwerpunkt im Kongressprogramm. So widmet sich ein Workshop1 der Tübinger Wissenschaftlerin Dr. Beatrix Barth dem NF als verhaltenstherapeutisches Werkzeug zur Verbesserung der Selbstregulation von Gehirnaktivität und Verhalten. Anders als in der Ergotherapie ist das NF bei Ärzten und Psychologen bisher noch eher selten zu finden. Der Workshop ist deshalb auf dem Kongress gut platziert und überzeugt im besten Fall Fachärzte, Psychologen und EEG-Assistenten vom großen therapeutischen Potential des NF. Davon kann auch die Ergotherapie unmittelbar profitieren.
Frau Dr. Barth bietet im kommenden Jahr einen Workshop im Rahmen des DGBfb2-Fortbildungsprogrammes. Den Termin finden Sie später bei uns oder auf der Webseite der DGBfb.
Der Frage nach der Vorhersagbarkeit des Therapieerfolges von SCP-NF widmet sich eine Tübinger Arbeitsgruppe. In strukturellen MRT-Daten fanden sie Unterschiede in der Gehirnstruktur von Menschen, die die Selbstkontrolle der Gehirnaktivität erlernen und den Nichtlernern: Bei erfolgreich Trainierenden zeigt sich meist in den Hirnarealen unterhalb der EEG-Elektrode an Cz ein Cluster mit einem größeren Volumen an grauer Substanz als bei Nichtlernern. Diese Areale sind die Zielregionen, die durch das SCP-Training beeinflusst werden sollen. Die Studie3 bestätigt, dass es strukturelle Marker für die Vorhersage des Trainingserfolges gibt und wird auf dem Kongress vorgestellt.
1 "Neurofeedback – eine verhaltenstherapeutische Technik zur Selbstregulation von Gehirnaktivität und Verhalten", B. Barth, Tübingen
2 Deutsche Gesellschaft für Biofeedback e. V.
3 SCP-Neurofeedback bei ADHS: Kann Trainingserfolg anhand der Gehirnstruktur vorhergesagt werden?, L. Weber, Tübingen
SCP-Neurofeedback = Neurofeedback der langsamen kortikalen Potentiale (Slow Cortical Potentials)
transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)
Bei Schulungen und Beratungsterminen werden wir immer wieder gefragt, ob tDCS auch bei ADHS wirksam ist. Diese Frage beschäftigt derzeit auch die Wissenschaft, wobei laufende Studien bisher nur erste Einblicke liefern können. Das Projekt „STIM-ADHS“4 ist die erste randomisierte doppelblinde, Placebo-kontrollierte Multicenterstudie, die die Wirkung der tDCS auf die ADHS-Kernsymptome bei erwachsenen Betroffenen untersucht. Zusätzlich erhofft man sich Erkenntnisse zum Einfluss der tDCS u. a. auf Schlaf- und Lebensqualität und psychische Belastung. Die sieben teilnehmenden Universitätskliniken verwenden den neuroConn DC-STIMULATOR MOBILE. Auf dem DGPPN-Kongress werden erste Zwischenergebnisse berichtet. Eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf die Frage ist also in näherer Zukunft zu erwarten.
Für die Personalisierbarkeit von neuromodulativen Therapien wie der tDCS, ist ein tiefgründiges Wissen über die Wechselwirkung der Intervention mit individuellen biologischen Einflussgröße wichtig. In einer auf dem DGPPN vorgestellten Studie5 zeigt eine Arbeitsgruppe aus Tübingen den Einfluss des biologischen Geschlechts auf die Wirksamkeit eines tDCS-unterstützten kognitiven Trainings. Sie fanden bei den 163 gesunden Probandinnen und Probanden bemerkenswerte Wechselwirkungen zwischen tDCS-Protokoll und Geschlecht. Das Geschlecht könnte also tatsächlich ein Faktor sein, der bei der Auswahl des richtigen Protokolls berücksichtigt werden sollte.
Weitere Themen auf dem DGPPN-Kongresse sind:
- tDCS-unterstütztes Training der Inhibitionskontrolle bei Binge-Eating-Störung – Grundlagen und klinische Effekte (C. Plewnia, Tübingen)
- tDCS als Add-On zu selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern bei Erwachsenen mit Depression – Ergebnisse einer randomisiert-kontrollierten Multicenter-Studie (DepressionDC-Studie) (G. Burkhardt, München)
- Effekte kathodaler tDCS auf implizite Assoziationen bei Menschen mit Alkoholabhängigkeit (J. Philipp, Tübingen)
4 Behandlung der ADHS mit transkranieller Gleichstromstimulation bei Erwachsenen: Studienprotokoll für eine randomisierte doppelblinde, scheinkontrollierte, multizentrische Studie mit parallelen Gruppen (STIM-ADHS)
5 Der Einfluss des biologischen Geschlechts bei einem tDCS-unterstützen Training kognitiver Kontrolle, S. Weller, Tübingen
Alle Themen können im Kongressprogramm nachgelesen werden: